Wer den Raum betritt, taucht ein in ein Gesamtrauschen.
Aus acht kleinen Lautsprechern, die in Duschkabinen-Dummies, Duschschläuchen und Rohren verbaut sind, ertönen Soundarbeiten von Münchner sowie internationalen Künstler:innen, die das
trugschluss-Kollektiv für dieses Projekt vereint hat – und sie alle befassen sich mit Rauschen. Nur wer sich innerhalb dieses Grundrauschens den einzelnen Soundquellen nähert, sich für
einen Moment unter einen Sound-Duschkopf stellt oder die Brause direkt ans Ohr hält, wird bemerken wie verschieden und individuell ein Rauschen sein kann, wo Binnendifferenzierungen spürbar
werden: ob Körpergeräusche, synthetisch erzeugtes Rauschen, Naturaufnahmen oder mediale Fundstücke. Je nach Position im Raum verändert sich der Höreindruck durch Nähe und Distanz zu den
verschiedenen Soundquellen sowie die Schallreflexionen des Raumes.
Die Retro-Fliesen in gelb und grün waren der Ausgangspunkt für das Farbkonzept des Raumes. Die Rauschquellen fügen sich in das ehemalige Badezimmer ein. Stoffelemente dienen der Akustik, führen
aber auch zu einem optischen Bruch. Das Fenster ist nicht nur Blick nach Draußen, sondern der Blick zwischen die Mauern, in denen sich geheimes Rauschen verbirgt.
Für dieses Projekt hat trugschluss mit folgenden Künstler:innen kollaboriert:
Benoît and the Mandelbrots | Sebastian Berweck | Annesley Black | Gunnar Geisse | Neo Hülcker | Ole Hübner | hans w. koch | Felix Kruis | Kirstine Lindemann | Julia Mihály | Georg Nussbaumer |
Uwe Rasch | Hannes Seidl | Jonas Urbat | Yiran Zhao
Kunstlabor 2 - Das neue Kunst- und Kulturzentrum München
Dachauer Straße 90 | 80335 München
Öffnungszeiten:
Sa: 12 – 18 Uhr
So: 12 – 18 Uhr
Tickets 12/8 Euro
https://shop.muca.eu/
Statements der Künstler:innen
Benoît and the Mandelbrots
Algorithmischer Noise-Strudel der Live-Coding Band Benoît and the Mandelbrots, bestehend aus als Cadavre Exquis geschriebener SuperCollider Code, sonifizierten Texturen aus dem Reich der Pilze und Aufnahmen elektromagnetischer Wellen von Haushaltsgeräten.
Sebastian Berweck
Als mein kleiner Sohn noch ein ganz kleiner Sohn war und nicht schlafen konnte, griff ich wie alle verzweifelten Eltern zu verschiedenen Formen des Rauschens. Solche Einschlafhilfen gab es früher in Form von Autofahrten und Föns, heute sind es Apps auf dem Mobiltelefon oder auch Webseiten. Auf mynoise.net gibt es verschiedenen Soundscapegeneratoren: Wellen, Regen, aleatorische Klaviermusik, Urwald. Die abgespielten Klänge sind keine Aufnahmen sondern werden in Echtzeit generiert. Von hier kommt auch das sanfte Geplätscher von „Sussurrare“. Sussurrare ist italienisch und bedeutet flüstern. Geholfen hat aber alles nicht.
Annesley Black
Inhalte:
Eine Bratschistin aus Miami
Rückfahrsignale eines Müllwagens
Plastiktüten, Nüsse und Kraut von einem Markt in Venedig
Luftanlage aus zwei Kontinenten
Desert birds from Nevada (Wüstenvögel aus Nevada)
sizzling from a sausage vendor in Fulda (Brutzeln von einem Wurstverkäufer in Fulda)
jump ropes (Springseile)
Gunnar Geisse
I'm sittin' on the dock of the bay
Watchin' the tide roll away, ooh
I'm just sittin' on the dock of the bay
Wastin' time
- Otis Redding
Neo Hülcker
"Ein wirklich einfaches Rauschen. Oder ein Sirren? Ab wann rauscht es? Was ist das da im Vordergrund? Und was im Hintergrund? Sind es zu viele oder zu wenige Informationen? Und dann ist es schon wieder vorbei. Ist es jetzt von vorne losgegangen? Egal, macht ja auch nichts. Ein bißchen Zeit bleibt ja noch. Was ist nochmal die Abwesenheit von Stille? Was war vor der Stille? Gestern klang es ein bißchen anders. Welches Ohr hört was? Denken die Ohren? Ist Hören Denken?"
Ole Hübner
Eine kleine analoge Rauschrecherche, Anfang 2020 in der Cité des Arts in Paris (da war gerade so eben noch kein Corona), mit allem, was halt gerade so zur Hand war – vornehmlich Küchengeräte, wenn ich mich richtig erinnere, die seitdem auch in einer ganzen Reihe weiterer Stücke aufgetaucht sind …
hans w. koch
rechnen mit rauschen
in “mille plateaux” etablierten deleuze/guattari den unterschied zwischen dem durch grenzen und ordnungsysteme zugerichteten “gekerbten” raum und dem “glatten raum”, gekennzeichnet durch irregularität und offenheit.
auch wenn mathematisch formulierbares und digital erzeugtes weisses rauschen wahrscheinlich eher die simulation eines glatten raums darstellt, diente es doch als grundlage der untersuchung, was bei der anwendung der grundrechenarten auf den glatten raum entsteht: ein weiterer glatter raum? einekerbung? und welche position nimmt darin die stille ein?
Felix Kruis
Das Rauschen, das Sie hören, ist grundlegend ein Rauschen von Wind und Wasser am Starnberger See. Die digital aufgenommene Audiodatei wurde hundertmal mit einem Konverter gewandelt und erneut komprimiert. So wie es geschieht, wenn eine Datei von einer Plattform heruntergeladen - ob illegal oder nicht - und auf eine andere Plattform hochgeladen wird. Immer entsteht dabei eine neue digitale Version. Der Sound wird dabei dünner, Klangartefakte schleichen sich ein, ein digitales Rauschen entsteht. Das Seerauschen ist so geschnitten, dass es über seine Dauer immer mehr zur hundertsten Version dieses Konvertierungsprozesses wird.
Kirstine Lindemann
Air bubbles and water.
Recorder: Zoom H4n pro
Mic: DPA 4060
Julia Mihály
Georg Nussbaumer
Parsifalstillen
Das Schellackknistern in den Pausen des Vorspiels zu Parsifal: Leeren, die sich
auftun und in deren Stillen das Berliner Staatsorchester unter Karl Muck auch am 11. Dezember 1927 in der Berliner Singakademie schweigt, unhörbar bleibt. Das Fluggeräusch der Speere, das
Rascheln in den Bäumen der Wälder und der Regen prasseln beim Warten auf Wunden und Wunder ungerührt weiter.
Uwe Rasch
Auf einen Text zu meiner Winzigkeit verzichte ich, das halte ich nicht für nötig und erhellend.
Hannes Seidl
Naturtonreihe 1-3
Ich fand den Begriff ’Natur’ schon immer suspekt, erst Recht ’Natürlich’. Zu oft schon wurde damit etwas als ‚gegeben‘, ‚wahr‘, ‚rein‘, ‚ursprünglich‘ oder ‚eigentlich‘ bezeichnet. Gerade die sog. Naturtonreihe, ein abstrahiertes, theoretisches Konstrukt, um Spektren grob zu beschreiben, wurde gerne als Tonhöhenfundus für Kompositionen verwendet (auch von mir schon). Schlimm wirds, wenn damit die Hoffnung oder sogar Behauptung verbunden wird, die Verwendung dieser Tonhöhen würde die Musik einer ewigen Wahrheit ein Stück weit näher bringen.
Die vorliegende Mini-Komposition durchstreift die rauschende Natur in der Reihe der „Grundelemente“ Feuer, Wasser und Luft. Erden wollte ich diese Reihe lieber nicht.
Jonas Urbat
Dunkelheit, Staub, Hitze, ein ständiges, lautes Grundrauschen empfangen die Besucher*innen der Eisengießerei. Die der über 100 Jahre alten Halle sind komplett verrußt, unser Begleiter erzählt mit ruhiger Stimme von den Gefahren, vom Vertrauen und der ständigen Rücksichtnahme der Mitarbeitenden, die zig Tonnen flüssigen Stahls an Kränen durch die Hallen fahren. Wenn hier etwas schief geht bleibt meist nur noch die Flucht denn das Unglück lässt sich nicht mehr aufhalten. Langsamkeit ist hier ein Qualitätsmerkmal. Diese Ruhe, die unfassbare Kraft und die Gelassenheit der Arbeiter formen die Atmosphäre in der Eisengießerei.
Yiran Zhao
"Inneres Rauschen resonieren."
"Resonate interior noise."
trugschluss verbündet sich bei diesem Projekt mit