aus vierundzwanzig

Ein multimedialer Materialhaufen zu Schuberts Winterreise

 

Uwe Rasch (Komposition, Inszenierung, Video)

Magali Sander Fett (Tanz)

Mark Lorenz Kysela (Saxophon / Performance)

Julian Kämper (Konzeption)

 

Der Werkzyklus mit dem Titel aus vierundzwanzig des Bremer Komponisten Uwe Rasch ist eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit randständigen bzw. marginalisierten Menschen unserer Großstädte. Der Komponist beschränkt sich dabei nicht auf rein akustische Mittel, sondern verbindet Neue Musik, Tanz und Video/Medien zu einer interdisziplinären Bühnenfassung, bei der die Elemente mehrschichtig korrelieren. Der Zyklus besteht aus einer Vielzahl an künstlerischen Modulen, die sich alle auf Franz Schuberts Winterreise beziehen – und dessen kritisch-politische Sprengkraft in unsere Gegenwart übertragen. Die Kenntnis der Schubertschen Vorlage kann kontextualisieren, ist aber nicht notwendig für das Publikum. Zentrale Motive wie „zielloses Unterwegssein“, „stagnierende Bewegungen“ oder „Identitätslosigkeit“ prägen die künstlerischen Arbeiten und verweisen auf Zustände und Lebenssituationen von Obdachlosen. Raschs Arbeiten psychologisieren nicht und stellen diese Obdachlosen nicht aus – Rasch abstrahiert und anonymisiert vielmehr. Musikalisches und visuelles Material entnimmt Rasch den „armen Materialien“ (Pappe, Styropor, Plastik), die Obdachlose zum Überleben benötigen, und ebenso konkreten Orten in der Stadt Bremen („Pissecken“, Brücken etc.), an denen sie sich aufhalten. Hinzu kommen Schmutz, medialer Müll wie Werbung, aber auch alle möglichen Erscheinungsformen von Mauern, Steinen und Wegen sowie Leerlaufbewegungen von Aufziehfiguren, die sich wie ein roter Faden durch das Bildmaterial ziehen. Rasch mikroskopiert, collagiert und ästhetisiert dieses Material, entwirft daraus beeindruckende Bilder und Klangmomente – sie sonifizieren und bebildern den „Prozess der Marginalisierung“, machen auf gesellschaftliche Zustände aufmerksam, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. Auch setzt Rasch triviale Alltagsobjekte oder Kinderspielzeuge ein, um den weiten Assoziationsraum, den Lyrik und Musik in Schuberts „Winterreise“ eröffnen, unkonventionell und undogmatisch in alle Richtungen zu durchschreiten.

 

Diese 2015 entstandende Fassung für trugschluss in Marburg war installativ angelegt: in Loops und als Durational Performances wurden die unterschiedlichen Module in verschiedenen Räumen präsentiert.

 

Fotos von Jan Henrik Dodenhof

16. November 2015 | 21 Uhr

trauma im g-werk, Marburg

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